„Für das Leben, nicht gegen andere!“
„Für das Leben, nicht gegen andere!“
Das Erzbistum Paderborn warnt angesichts aktueller gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen vor einer Vereinnahmung des Themas Lebensschutz durch ideologisch motivierte Kräfte. Der Schutz menschlichen Lebens, ab seinem Beginn bis zum Ende, ist ein zentrales ethisches Anliegen. Er ist tief verwurzelt in christlicher Überzeugung und verfassungsrechtlich gesichert durch das Grundgesetz. Gerade deshalb darf der umfassende Schutz des Lebens weder für parteipolitische Strategien noch für interessengeleitete Zwecke einzelner Akteure oder Gruppen instrumentalisiert werden.
In den vergangenen Wochen wurde das Thema Lebensschutz unter anderem im Zusammenhang mit der Debatte um eine mögliche Nachbesetzung von Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts öffentlich scharf diskutiert. Beobachtungen unabhängiger Quellen legen nahe, dass rechtspopulistische und demokratiekritische Kräfte die öffentliche Auseinandersetzung zuspitzten und zur Förderung eigener Narrative nutzten.
„Lebensschutz ist kein taktisches Argument. Wer versucht, ihn für gesellschaftliche Spaltung zu nutzen oder mit ihm gezielt Spannungen zu verschärfen, verfehlt seinen Sinn“, warnt Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz. „Wer ihn instrumentalisiert, spricht am Ende nicht mehr für das Leben, sondern nur noch gegen andere.“
Verantwortung in schwierigen Fragen
Im Erzbistum Paderborn zeigt sich die Spannbreite des Themas sehr konkret. Nach der Fusion des katholischen mit dem evangelischen Krankenhaus in Lippstadt hat ein Chefarzt die ethische Ausrichtung der neuen Einrichtung öffentlich in Frage gestellt. Dabei positioniert er sich erkennbar gegen die von den kirchlichen Gesellschaftern gemeinsam beschlossenen Handlungsgrundlagen.
Der neue Gesellschaftervertrag des durch Fusion entstandenen Klinikum Lippstadt GmbH – Christliches Krankenhaus verankert den umfassenden Schutz des Lebens ausdrücklich sowohl am Beginn als auch am Ende. Schwangerschaftsabbrüche und assistierter Suizid sind im Grundsatz ausgeschlossen. Eine Ausnahme bei Schwangerschaftsabbrüchen besteht dann, wenn das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der Mutter akut gefährdet ist und es keine medizinisch mögliche Alternative gibt, das Leben des ungeborenen Kindes zu retten.
Da es sich um ein laufendes arbeitsrechtliches Verfahren handelt, kann das Erzbistum Paderborn zu den konkreten Vorgängen in Lippstadt derzeit keine detaillierte Stellungnahme abgeben. Grundsätzlich verweisen wir jedoch auf die zentrale Bedeutung ethisch verantworteter Handlungsspielräume in kirchlich getragenen Einrichtungen. Diese tragen, wie andere weltanschaulich geprägte Träger auch, zur ethischen Werte-Vielfalt des Gesundheitswesens in einer pluralen Gesellschaft bei. Sie erfüllen ihren landesrechtlich vorgesehenen Versorgungsauftrag im Gesundheitswesen in vollem Umfang, jedoch nicht gegen ihr eigenes Selbstverständnis zur Erfüllung medizinisch nicht akuter Behandlungswünsche. Viele Menschen entscheiden sich bewusst für eine Behandlung in Einrichtungen mit einem wertegebundenen Profil. Das Selbstverständnis der jeweiligen Einrichtung verdient sachliche Akzeptanz – auch dann, wenn es im Einzelfall nicht mit individuellen Erwartungen übereinstimmt.
Bewusstsein für persönliche Tragweite
Fragen des Lebensschutzes berühren immer auch persönliche Lebensrealitäten. Sie fordern Entscheidungen, die nicht nur aus grundsätzlichen Überzeugungen getroffen werden, sondern oft unter schwierigen Umständen – von Frauen und Männern, von Familien, von medizinischem Personal und von all jenen, die mit dem Beginn oder Ende des Lebens konfrontiert sind. Hinter diesen Entscheidungen stehen biografische Erfahrungen, Verantwortung und komplexe Abwägungen.
Das Erzbistum Paderborn sieht es als seinen Auftrag, Menschen in solchen Momenten beizustehen – in der Seelsorge, mit Beratung, Begleitung und konkreter Unterstützung. Doch damit ist unser Engagement nicht abgeschlossen. Wer den Schutz des Lebens ernst nimmt, muss sich auch selbst immer wieder kritisch befragen:
Tun wir als Kirche heute schon genug, um Menschen in belastenden Situationen zu stärken? Werden Frauen in einem Schwangerschaftskonflikt so begleitet, dass ihre Würde geachtet, ihre Not ernst genommen und ihnen der Weg zum Leben offengehalten wird?
Wo können wir helfen, Bedingungen zu verbessern, damit sich etwa Menschen mit Behinderung oder in schwierigen Lebenslagen willkommen und getragen wissen?
Und sehen wir auch die, die solche Menschen begleiten – beruflich wie familiär –, mit all ihrer Kraft, ihrem Einsatz und oft großen Belastungen?
Lebensschutz kann nur gelingen, wenn viele gemeinsam Verantwortung tragen: Kirche, Gesellschaft, Politik – und all jene, die Menschen im Alltag begleiten. Wer für das Leben einsteht, muss auch jenen zur Seite stehen, die das Ja zum Leben tagtäglich mittragen.
Ein Umfeld schaffen, in dem Leben zählt
Lebensschutz ist mehr als eine persönliche Haltung – er fordert Strukturen, die das Leben in seiner ganzen Verletzlichkeit schützen und stärken. Das ist auch ein gesellschaftspolitischer Auftrag. Es gehört zum kirchlichen Selbstverständnis, sich für Rahmenbedingungen starkzumachen, in denen jedes Leben willkommen ist – unabhängig von Alter, Herkunft, Gesundheit oder sozialer Lage. Eine Gesellschaft, die Lebensschutz ernst nimmt, braucht Institutionen und Haltungen, in denen Menschen nicht nur geduldet, sondern unterstützt und geachtet werden.
„Lebensschutz ist ein hohes Gut – aber kein einfaches, gerade in den fragilen Stadien am Anfang und am Ende. Ich erlebe, wie sehr er Menschen fordert: persönlich, politisch, juristisch und auch seelsorglich. Wer ihn ernst nimmt, darf die Spannungen nicht übersehen, die daraus entstehen – in unserer Gesellschaft und in den Biografien einzelner“, so Erzbischof Bentz. „Ich sehe es als meine Verantwortung, eine Überzeugung zu vertreten und zugleich die Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren, die in schwierigen Entscheidungssituationen oder herausfordernden Lebenslagen Begleitung und Orientierung brauchen.“
Der Erzbischof betont: Lebensschutz ist kein Thema einzelner gesellschaftlicher Gruppen. Er ist keine konservative Position, sondern Ausdruck einer humanen, solidarischen Gesellschaft. Wer das Leben schützt, besonders dort, wo es schwach, ungeboren oder bedroht ist, stärkt das Vertrauen in eine Gemeinschaft, die sich ihrer Verantwortung nicht entzieht.